Sonntag, 26. April 2009

Klinik unter Palmen





Die Expeditionsleitung ist krank geworden. Nach mehreren Tagen fruchtloser Selbstmedikation fahren wir unter brüllender Mittagssonne zum nächstliegenden Spital.
Im Herzen von "Little Russia", auf der Hauptstraße von DaDongHai liegt das YueHai-Sanatorium, umringt von Massagesalons, Sauna-Bars und Kaffeerestaurants, alle kyrillisch beworben.
Zunächst gilt es, die Empfangsdame zu wecken, die, etwas mürrisch ob der gestörten Mittagsruhe, die obligatorische Behandlungsgebühr von 6 Yuan (0,6 Euro) kassiert und uns um die Ecke zum Doktor schickt.
Wir finden eine Reihe verlassener Behandlungszimmer und schließlich eine nette Schwester. Die holt den diensthabenden Arzt aus dem Bereitschaftszimmer. Auch er sieht aus, als hätten wir ihn eben aus dem Mittagsschlaf gerissen.
Wir haben gewissenhaft unser medizinisches Vokabular aufgerüstet und der junge Doktor lauscht bemüht der Schilderung aufgetretener Symptome während er einen beachtlichen Stapel an Verordnungen, Rezepten und internen Zuweisungen ausfüllt.
Damit geht es nun zurück zum Empfang. Unsere mürrische Bekannte kassiert 270 Yuan (jetzt eh schon klar: 27 Euro). Dafür gibt's zunächst im Nebenzimmer von der amtierenden Apothekerin ein kiloschweres Paket mit allerlei Medikamenten und genaue Instruktionen zur Einnahme.
Dann bereitet die nette Schwester einen Infusionscocktail vor. Der Tropf wird im gemeinschaftlichen..., na ja, Infusions-Saal verabreicht. Der gäbe eine passende Location für Lazarettszenen verschiedenster Epochen der letzten hundert Jahre.
Mittlerweile ist die Mittagspause um. Die Spitalsbelegschaft findet sich nach und nach wieder ein.
Für uns bedeutet dies, daß die folgenden Untersuchungen unter mitgeführter Infusionsflasche vorgenommen werden müssen. Schon beim EKG führt das zu ersten Komplikationen. Aus dem archaischen Aufzeichnungsgerät hängen die Impulsfühler an einem guten Dutzend Kabeln. Die sind zu einem nur mühsam entwirrbaren Knäuel verknotet, das jetzt auch noch unseren Tropfschlauch zu verschlingen droht.
Die Produktion der danach verlangten Urinprobe führt entsprechend zu weiteren abenteuerlichen Komplikationen unterm mobilen Tropf. Kaum zurück auf der Liege, kaum etwas entspannt, nähert sich der nächste Arzt, um Blut fürs Labor aus den Fingern zu saugen und damit für weitere fragwürdige Kurzweil zu sorgen.
Am späten Nachmittag verlassen wir gestärkt und erleichtert das Sanatorium, wissend, daß wir nach zweieinhalb Stunden im Wiener AKH noch keinen Arzt zu Gesicht bekommen hätten.
Für den Gegenwert von sechs österreichischen Rezeptgebühren erhielten wir eine Reihe wichtiger Untersuchungen (noch dazu mit beruhigenden Ergebnissen), zwei stärkende Infusionen (Morgen nächster Termin) und eine beachtliche Menge an Medikamenten, die uns optimistisch an die Weiterreise denken lassen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen